Piranhas im Wohnzimmer

Pygocentrus nattereri, der rote Piranha

Text von Ulrich Reisdorf, Seerose Frechen

Piranhas: ein Sammelname für Raubsalmler aus dem tropischen Südamerika, die dem amerikanischen und europäischen Thrillerfreund eine Anzahl von B-Movies mit C-Besetzung bescherten und diesen Fischarten ein vergleichbares Image aufdrückten, wie dem Weißen Hai oder diversen Killerkrokodilen, die sich hauptsächlich von US- Blondinen ernähren.

Dieser Umstand führt leider dazu, dass Piranhas oft von falschen Haltern gepflegt werden; nach dem Motto: Für den Pittbull ist die Wohnung zu klein also flugs einen Schwarm kleiner Piranhas in das Meterbecken. Die Fütterung mit lebenden Goldfischen oder Mäusen wird dann gefilmt und kann bei Youtube bewundert werden. Der verantwortungsbewußte Aquarianer bedankt sich für die Vorstellung und fragt sich zum x-ten Mal, wie das entsprechende Beratungsgespräch im sogenannten Fachhandel ausgesehen haben mag, denn die Frage nach der Beckengröße und der artgerechten Fütterung müsste bei diesen Fischen - ähnlich wie z.B. bei Großcichliden - obligatorisch sein. Auch in diversen Internetforen stößt man leider immer wieder auf sehr viel guten Willen, aber stark reduziertes Wissen.

Wie diese kleine - mit spitzer Feder verfasste - Einleitung bereits andeutet, kommen wir in einem Artikel, der sich mit dem Verhalten von, aquaristisch betrachtet, größeren Fischen beschäftigt, nicht umher auch die Bedingungen der Haltung aufzuzeigen, da diese in unmittelbaren Kontext miteinander stehen.

Meine persönliche Neugierde auf diese Fische wurde als Schüler durch einen Artikel in der DATZ geweckt. Die Überschrift habe ich bis heute nicht vergessen: „Der Amazonas fließt durchs Wohnzimmer“. Damals waren wirkliche Großbecken in privater Hand noch selten und so las ich mehrmals hintereinander die Geschichte von Planung, Bau und Betrieb eines Beckens mit tausenden von Litern Inhalt. Was mich aber am meisten faszinierte, waren nicht die Absätze die sich mit CO2-Düngung oder Bepflanzung beschäftigten, sondern die Beschreibung des Fischbesatzes. In diesem Becken wurden nämlich neben verschiedenen Welsen, Buntbarschen und kleinen Salmlern ein Schwarm von 25 Piranhas gepflegt. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre ich davon ausgegangen, dass eine Fressorgie das Gesellschaftsbecken zum Artbecken gemacht hätte. Aber ausreichende Größe des Wohnzimmeramazonas und eine optimierte Beckengestaltung machten es anscheinend möglich. Mein erster Piranhaversuch startete mit 450 l und war mit vier Tieren und „Beifischen“ erfolgreich. Meine Erfahrungen, Eindrücke und auch Vermutungen zum Mythos Piranha möchte ich in dem folgenden Zeilen zum Ausdruck bringen.

Alle hier niedergeschriebenen Erfahrungen und Beobachtungen beziehen sich auf den Roten Piranha (Pygocentrus nattereri; alter Gattungsname Serrasalmus). Abweichungen von den geschilderten Verhaltensweisen bei anderen Arten sind wahrscheinlich. Für Tiere, die heute der Gattung Serrasalmus zugeordnet werden, wird häufig ein vollständig anderes Verhaltensrepertoir aufgezeigt. Serrrasalmus Rhombeus oder Serrasalmus niger z.B. wird oft als sehr aggressiver Fisch beschrieben, der nur als Einzeltier gehalten werden kann. Ob dies nur für „kleine“ Heimaquarien gilt oder prinzipiell für die Obhut in Menschenhand, ist noch zu klären. Der „Fachhandel“ jedenfalls empfiehlt einen Schwarm von fünf dieser Tiere für ein 150 l Becken ( „... die wachsen langsam“ ). Dieser Fachberatung konnte ich, unauffällig mithörend, in einer Kölner Zoohandlung lauschen. Prima !

Ein solcher „Schwarzer Piranha“ ist mittlerweile sogar ein Internetstar mit dem Namen Hannibal. Dem mit humanistischer Bildung belasteten Leser mag mitgeteilt sein, dass hier nicht der gleichnamige antike Feldherr gemeint ist, sondern eine Figur aus einem blutigen Psychothriller. Wie so häufig, tut der Aquarianer der eigenen Sache hier keinen Gefallen. Was den Piranha als Raubfisch so hervorhebt ist nicht seine Größe, sein Appetit oder gar sein markantes Aussehen, sondern die Fähigkeit mit seinen Beißwerkzeugen Stücke aus seiner Beute herauszureißen. Die meisten Räuber, die in unseren Becken schwimmen, sind Schlingräuber, d.h. die Beute wird gepackt und dann mehr oder weniger elegant in einem Stück verschlungen. Beutetiere, die eine gewisse Größe erreicht haben, sind uninteressant und kommen für die Vergesellschaftung in Frage. So können z.B. - ein ausreichend großes Becken vorrausgesetzt - Cichliden der Gattung Crenicichla durchaus mit großen Welsen oder hochrückigen Friedfischen zusammengesetzt werden, ohne dass es zu Verlusten durch Gefressenwerden kommt. Ein schlanker Salmler oder ein kleiner Guppy wird dagegen als Besuch von Kapitän Iglo interpretiert.

Diese oben genannte Fähigkeit macht es dem Piranha möglich auch größere Beute bis zum Vogel oder Säugetier zu attackieren und im Fressschwarm zu erbeuten. Rasiermesserscharfe Zahnreihen und eine kräftige Gebissmuskulatur erledigen die Arbeit.

Die Evolution der Piranhas ist eng mit der geologischen Entwicklung des Amazonasgebietes verknüpft. Häufige Überflutungen, verursacht durch Springfluten des Atlantiks, die sich noch weit im Landesinneren auswirken, führen zu einer relativ großen Anzahl von Kadavern (hier Opfer durch Ertrinken) und förderte die Entwicklung von Verwertern, die damit als Gesundheitspolizei dieses Ökosystems fungieren können. Ähnlich wie andere Aasfresser können Piranhas aber auch aktiv jagen. Für die Aquarienhaltung bedeutet dies, dass die Fische relativ unproblematisch an verschiedene fleischliche Nahrung gehen.

Die Ausstattung der Piranhas mit einem Gebiss, welches in der Lage ist die Haut von Säugetieren zu durchtrennen, macht es besonders erforderlich das Tier mit einem Verhaltensrepertoire auszustatten, welches die innerartliche Aggression hemmt und regelt. Rangkämpfe oder Streitigkeiten, z.B. um einen attraktiven Unterstand, werden in der Regel durch einen sogenannten Comentkampf entschieden. Häufig stehen die Tiere dabei Schwanz an Kopf und versuchen mit dem Schlagen der Schwanzflosse einen möglichst hohen Wasserdruck auf das Seitenliniensystem des Gegners auszuüben. Der Unterlegene wird häufig schnell identifiziert und räumt dann das Feld - wenn er genügend Platz zur Verfügung hat. In zu kleinen Becken folgt dem ritualisierten Kampf der Beschädigungskampf und die Piranhagruppe verkleinert sich nach und nach. Damit kommen wir automatisch zur erforderlichen Beckengröße für die Piranhahaltung. Meine ersten Erfahrungen mit diesen Tieren sammelte ich mit einem 150 x 50 x 60 cm Becken für eine Vierergruppe ausgewachsener Fische (25 bis 30 cm). Heute würde ich Becken ab 2 m Länge und mindestens 70 cm Tiefe für eine Fünfer- bis Siebenergruppe empfehlen. Grundlage für diese Maßangabe ist nicht der Faktor des sich Nicht-Umbringens sondern die Möglichkeit naturnahes Verhalten beobachten und andere Fischarten mit den Piranhas vergesellschaften zu können. Wie immer aber gilt: Andere Becken, andere Aquarianer: andere Erfahrungen - also nagelt mich bitte nicht auf zehn Zentimeter fest.

Die Beckengestaltung sollte so vorgenommen werden, dass für die Fische Unterstände unter Wurzeln oder Wasserpflanzen geschaffen werden. Diese werden auch häufig genutzt und auch entsprechend verteidigt. Tiere ohne Unterstand stehen unter Stress und kümmern oft. Das heißt, es sind immer mehr Unterstände anzubieten als Piranhas im Aquarium leben. Die Unterstände müssen nebeneinander angelegt werden. Übereinander würden sie von den Tieren nicht angenommen werden, da die Fische keinen möglichen Angriff von unten auf ihre ungedeckte Bauchseite riskieren würden. Ein Piranhabecken könnte also so aussehen: verschieden große und stark verästelte Wurzeln werden so angebracht, das sie von der Wasseroberfläche her Deckung und von der Seite Sichtschutz bieten und Unterstände sowie auch Reviergrenzen bilden. Teilweise sollte das Astgewirr so dicht sein das andere Fische schnell Deckung finden, ohne verfolgt werden zu können. Dazu aber später mehr. Als Bodengrund empfiehlt sich ein Sand mit feiner Körnung, in den kein Mulm eindringen kann. Das Reinigen wird somit etwas erleichtert. Runde Flusssteine - kalkfrei wie der Bodengrund - ergänzen das Bild und können gute Reviergrenzen bilden. Ich bin ein Freund von Wurzelbecken und verzichte oft auf Pflanzen - aber schaden tun sie nicht. Möglich sind die üblichen Verdächtigen für Großfischbecken, wie die Amazonasschwertpflanze usw.. Sinnvoller ist allerdings eine Schwimmpflanzendecke mit ins Wasser hineinragenden Wurzeln. Das Becken wird abgedunkelt und diese Pflanzen ziehen verstärkt Abbauprodukte aus dem Wasser. Licht ? - so viel wie nötig - so wenig wie möglich; Piranhas sind schreckhaft und reagieren oft hektisch. Dunkle Becken beugen diesem Umstand vor und lassen die Tiere mit ihren glitzernden Schuppen prima aussehen - und Strom sparen kann man auch. Die Filterung ist ausreichend auszulegen (es wird hier auf die vielen guten Artikel über die Filterung von Großfischbecken verwiesen) und eine leichte bis mittlere Strömung kann auch nicht schaden. Die Temperatur ist mit 25 bis 27° C ausreichend hoch gewählt. Für eine gute Belüftung und Wasseroberflächenbewegung ist zu sorgen. Ansonsten halt Amazonas ! Die Beckenrückseite ist am besten ebenfalls dunkel zu gestalten - auch das führt zu einem erhöhtem Wohlfühlfaktor.

Was ist bei der Piranhahaltung noch zu beachten ? Häufiger Wasserwechsel ! - nicht weil Piranhas besonders empfindliche Fische wären, sondern weil es die Aggression zu dämpfen scheint. Ein Erklärungsansatz könnte sich aus den ökologischen Verhältnissen in der Heimat der Tiere begründen: Während der Regenzeit treten die Flusssysteme über die Ufer und den Tieren steht viel Raum zur Verfügung – starke innerartliche Aggression mit einem entsprechenden Verletzungsrisiko sind weder notwendig noch vorteilhaft. Aber mit der Trockenzeit ziehen sich die Flüsse in ihr Bett zurück und die Fische sammeln sich dort oder auch in den uferbegleitenden abgeschnittenen Flussarmen. Hier erhöht sich nun die Wassertemperatur, der Sauerstoffgehalt nimmt ab und die Konzentration von Abbauprodukten zu - also die Lebensbedingungen verschlechtern sich und das Nahrungsangebot wird knapper. Erhöhtes Aggressionspotential - auch innerartliches, denn wer macht mir die benötigten Ressourcen mehr streitig als mein Artgenosse - ist nun ein Vorteil für das Tier. Nur die Starken und Robusten überleben ! In diesen Uferseen - so die geomorphologische Bezeichnung - schwimmt auch kein Einheimischer mehr, die Flüsse dagegen sind noch betretbar (sagen die Piranhas). Diese Erfahrung wurde mir von einem Brasilienreisenden mitgeteilt, der sagte, dass die Einheimischen diese Not der Tiere in den Uferseen nutzten, um ihr Glück als Petrijünger mit der Angel verstärkt zu nutzen. Piranhas sollen lecker sein ! Wasserbedingungen mit niedrigen Schadstoff- und höheren Sauerstoffgehalten scheinen also die innerartliche Aggression zu dämpfen.

Was Piranhas auszeichnet ist die relativ niedrige Empfindlichkeit gegenüber Infektionen und Pilzerkrankungen. Ein evolutionär abzuleitender Umstand der wahrscheinlich auf die Funktion als Aasfresser und die zeitweise dramatische Verschlechterung ihres natürlichen Lebensraumes zurückzuführen ist. Ebenso nennenswert ist die Funktion der schnellen Heilung von Verletzungen wie Bisswunden. Dieses schnelle Regenerationsvermögen bedingt beispielsweise, dass fehlende Flossenstücke innerhalb einiger Tage nachwachsen können.

Der Besatz eines Piranhabeckens könnte wie folgt durchgeführt werden: Nach der Einfahrphase des Beckens werden einige größere Schilderwelse eingesetzt; diesen gibt man Zeit sich einzugewöhnen. Dann kommt eine Gruppe der Raubsalmler - alle auf einmal und alle ungefähr gleich groß ! Achtung, ein Nachsetzen ist nicht einfach ! Dann lässt man die Fische wachsen bis sie die Jugendfärbung abgelegt haben, d.h. das Pünktchenkleid wechselt zum Farbmuster mit der oft rötlichen Brust und dem dunklen Rücken. Sind die Tiere ca. 15 cm besser 20 cm groß kann man anfangen „schlaue“ Fische, wie Barsche, zu integrieren. Gute Erfahrungen habe ich persönlich auch mit Schmucksalmlern, Schwarzen Neons und Zebracichliden gemacht, die letztgenannten sind sogar in der Lage Jungfische im Piranhabecken durchzubringen. Kleine Salmler und Buntbarsche benötigen ein Wurzel- oder Pflanzendickicht, um im Notfall Verstecke zu finden und um den großen Räubern durch geschicktes Navigieren entkommen zu können. Ebenso gute Erfahrungen haben andere Aquarianer mit Crenicichla-Arten und Pfauenaugenbuntbarschen gemacht. Sind die Raubsalmler fast ausgewachsen können verschiedene kleine Salmler hinzugesetzt werden. Tipp: Mit einem Gitter werden die Neuankömmlinge von den Raubfischen (satt und zufrieden) getrennt und können sich an das Becken gewöhnen bzw. einen Teil des Beckens kennen lernen. Auch eine Fütterung sollten die Neuen in dem abgetrennten Teil einmal mitbekommen. Werden die Piranhas z.B. immer nachmittags gefüttert, kann man nach einigen Tagen das Gitter morgens entfernen. Meistens geht es gut.

Gute Erfahrungen haben viele Halter auch mit Scheibensalmlern gemacht – hier kommt dem Pflanzenfresser mit der vergleichbaren Körperform die daraus resultierende Beißhemmung der Räuber zu gute. Andere Aquarianer berichten von der erfolgreichen Vergesellschaftungen mit Feuerschwänzen und verschiedenen Schmerlen. Hierbei handelt es sich zwar um einen asiatischen Stielbruch - aber es zeigt, das auch Fische aus vollkommen anderen Biotopen schnell erkennen, welche Art von Mitbewohnern in der Aqua-WG eingezogen sind.

Auch wenn der Begriff Schwarm in diesem Artikel Verwendung findet; der Piranha ist kein Schwarmfisch im eigentlichen Sinne. Schwarmfische sind z.B. Sardinen oder Heringe – hier fungiert der Schwarm quasi als übergeordneter Organismus. Das Verhalten wird geregelt, ohne dass es z.B. eine Rangordnung unter den Tieren gibt. Auch die sogenannten Schulen von Fischen, als Beispiel seien hier die bekannten Doktorfische angeführt, stellen für Piranhas nicht die korrekte Bezeichnung für ihre soziale Organisation dar. Ich denke die richtige Bezeichnung ist eher Fress- und Jagdrotte. Im Aquarium kennen sich die einzelnen Individuen und können sich abschätzen und einordnen. In der Natur sind die Gruppen oft so groß, dass dies unmöglich erscheint – die Bezeichnung Rudel, die ab und zu im Internet auftaucht, ist demnach auch nicht richtig.

Wer Piranhas einmal in einem Großbecken beobachten möchte, dem sei das Aquarium im Zoo Köln empfohlen. In dem schönen Urwaldbecken mit Wurzeldekoration und robusten Pflanzenbeständen lebt ein großer Schwarm erwachsener Roter Piranhas und die entsprechenden Jungtiere in Jugendfärbung zusammen mit großen Schilderwelsen, wunderschönen Erdfresser-Cichliden, einem großen Schwarm roter Neons und ... Diskusfischen.

Kleine und große Piranhas leben in verschiedenen Bereichen. Die kleinen Tiere bleiben meist in Zonen mit dichten Wurzelbeständen, die von den großen Räubern nur schlecht bejagt werden können. Die Erdfresser schwimmen frei und augenscheinlich unbekümmert über den Bodengrund und gehen ihrer Hauptbeschäftigung nach – dem Grundeln. Die Schilderwelse tun so, als wären sie in einem Goldfischteich und die Neonfische stehen im dichten Schwarm bei den großen Piranhas. Diese kleinen Salmler fallen wahrscheinlich aus dem Nahrungsspektrum der Piranhas und wären auch nur unter einem Energieaufwand zu fangen, der für den kleinen Happen nicht lohnt. Und die Diskusfische schwimmen unbehelligt durch die Freiwasserzone, ohne beachtet zu werden. Wer allerdings Diskusfische kennt, bemerkt sofort die Schreckfärbung der Tiere; die acht Längsstreifen sind gut zu erkennen. Befinden sich die Cichliden in der Wurzelzone verschwindet die Schreckfärbung wieder.

Während ich meinem Sohn bei einem Zoobesuch in Köln die Besonderheiten von Piranhas erklärte, spielt sich auf einmal folgende Szene ab. Einer der Neonfische hatte sich in die falsche Ecke des Beckens verirrt und wurde von einem Piranhajungtier intensiv verfolgt. Hätte der kleine Piranha zu entscheiden gehabt, der Neon wäre als Zwischenmahlzeit geendet. Aber Neons sind über kurze Strecken sehr flink und er konnte entkommen.

Welche Schlüsse lassen sich für uns „Normalaquarianer“ aus solchen Beobachtungen in Großbecken, die schon fast natürliche Verhältnisse simulieren, ziehen ? Einmal, dass ein Becken nicht groß genug sein kann und dass sich Verhaltensweisen in kleineren Becken unterscheiden können, bzw. verschiedene Verhaltensmuster, in Abhängigkeit von der Beckengröße, unterschiedlich stark ausgelebt werden. Von einem erfolgreichen Versuch der Vergesellschaftung von Piranhas und Diskusfischen hatte ich jedenfalls bis zu diesen Zeitpunkt nichts gelesen oder gehört. Sicherlich spielt aber auch der Sättigungsgrad der Tiere eine Rolle, aber anscheinend ist bei genügend Raum ein derartiges Arrangement prinzipiell möglich. Für den Hobby-Aquarianer ist der Vergesellschaftungsversuch mit Diskusfischen meiner Meinung nach dennoch nicht zu empfehlen. Auch in diversen Internetforen – die sich zum Teil ausschließlich mit den Raubsalmlern beschäftigen – ist eine solche Fischzusammenstellung noch nicht erwähnt worden.

Kleine Salmler mit etwas unauffälliger Farbgebung können mit mittelgroßen bis großen Piranhas durchaus vergesellschaftet werden. Das Beuteschema sieht wahrscheinlich anders aus. Kleine Piranhas aber machen gezielt (siehe oben) Jagd auf die kleinen Schwarmfische und sind in der Enge des Beckens auf Dauer erfolgreich.

Aber was geht im Zimmeraquarium ? Oder anders gefragt: Welche Opfer hatte der Kölner Zoo zu verzeichnen, bis er seine Beckengemeinschaft zusammengestellt hatte ?

Um die Beckeninsassen von Piranhas gar nicht erst als potentielle Beute erscheinen zu lassen, bietet es sich für den Hobby-Aquarianer an, auf die Fütterung von lebenden Fischen zu verzichten. Der Piranha kann als Aasverwerter ohne Probleme nur mit totem Futter ernährt werden, ohne unter Reizarmut zu leiden. Wer die Fütterung geschickt arrangiert, kann interessante Beobachtungen machen. Eine solche Fütterung könnte wie folgt aussehen: Ein Stück Fischfilet wird an einen Draht gebunden und ca. 15 cm über dem Bodengrund platziert. Die Piranhas – vorsichtig wie sie sind – haben sich zunächst in ihre Verstecke zurückgezogen und belauern die sich in der Strömung leicht bewegende „Beute“. Der erste blitzartige Angriff erfolgt meist durch ein Gruppenmitglied mit niederem Rang. Es wird ein rundliches Stück Fleisch aus dem „Opfer“ herausgetrennt und hastig verschlugen. Noch ein kurzes Abwarten und dann schlagen die Chefs des Beckens zu. Mit schnellem Zustoßen und sägeartigen Schneidebewegungen holt sich jedes Tier seinen Anteil. Die schließlich satten Piranhas lassen Beutereste unberührt – jetzt schlägt die Stunde der Welse. Ohne auf futterneidische Raubsalmler achten zu müssen, können sie über die Reste herfallen.

Die satten Räuber stellen sich nun mit dem Kopf zur Strömung und verdauen – oft für mehrere Stunden. Erwachsene Piranhas werden jeden zweiten bis dritten Tag gefüttert. Als Futter bietet sich vor allem Fisch an. Zu häufiges Verfüttern von Säugetierfleisch führt zu Organverfettung.

Alle, die sich mit dem Gedanken tragen diesen interessanten Fisch zu pflegen, sollten vorher in einem öffentlichen Aquarium einige Beobachten machen, um zu überprüfen, ob man Willens ist diesen Fisch über oft mehr als ein Jahrzehnt sein Becken zu überlassen. Denn bei allen Möglichkeiten, die hier für eine Vergesellschaftung angesprochen wurden - hundertprozentige Sicherheit nicht doch ein Artbecken betreiben zu müssen, gibt es nicht. Also sollten einem die Fische schon begeistern.