Betta rubra

(Perugia 1893) – Der rote Sumatra-Kampffisch

Von Swen Oppel-Matuschek

Es muss um das Jahr 2008 herum gewesen sein, als ich mit Betta mandor das erste Mal mit einem anderen Vertreter der Gattung, außer dem bekannten Betta splendens in Berührung kam. Das fällt auch zusammen mit der Zeit, als ich Michael Scharfenberg kennen und schätzen lernen sollte. Seiner Geduld und Unterstützung ist es zu verdanken, dass ich mich in den letzten Jahren wieder etwas intensiver mit Labyrinthfischen, unter anderem auch der Gattung Betta beschäftige. Das Kapitel Betta mandor scheiterte bei mir leider und so war ich Anfang 2019 etwas skeptisch, als mich ein Freund fragte, ob ich Interesse an einer Gruppe Betta rubra hätte? Nach kurzem Überlegen entschloss ich mich dann doch, es zu versuchen. Die Informationen zu dieser Art sind dabei alles andere als umfangreich, so dass es bei der Art bestimmt noch so einiges zu entdecken gilt.

Beschreibung:
Betta rubra wurde bereits in den Zeiten der Anfänge der Aquaristik, im Jahre 1893 beschrieben. Seit dieser Zeit fristete die Art aquaristisch ein Schattendasein, galt als Phantom, geriet in Vergessenheit, wurde teilweise auch falsch zugeordnet und synonymisiert, bis im Jahr 2005 Tan & Ng der Art durch eine Neubeschreibung endlich ein „Gesicht“ verliehen.

Vorkommen:
Als natürliches Vorkommen von Betta rubra wird in Indonesien der Norden der Insel Sumatra angegeben. Konkret genannt werden dabei der Toba-See, der sich ca. 900 m/NN befindet (wobei ich mir nicht vorstellen kann, das der See selbst als Vorkommensgebiet anzusehen ist), die Stadt Sibolga (südwestlich des Sees, die Provinz Aceh Barat (westlich des Sees) sowie bei Linke (2013) der Alur Sungai Lamueselatan in Torfsumpfgebieten. Die Biotopdaten sind dabei in der Literatur relativ unklar und liefern nur wenige Anhaltspunkte. Lediglich Linke (2013) gibt an, dass die Biotope leicht fließend, klar, mineralarm und sauer (pH 4,8-5,3 und ca. 50 µS) sind. Vermutlich werden wir hier in den nächsten Jahren noch genauere Informationen erhalten, wenn reisende Aquarianer in diese Region vorstoßen.

Weitere Literaturangaben:
Wie bereits angedeutet wurde B. rubra in der Vergangenheit meist auf der Basis der Erstbeschreibung von Perugia (1893) in der Literatur geführt und von späteren Autoren teilweise als Synonym für andere Arten betrachtet. Nicht zuletzt hieraus resultieren auch Spannbreiten bei morphologischen Merkmalen und den Größenangaben von 4,5 bis 6,5 cm. Dieke (2019) vermutet aufgrund der von ihm gehaltenen Tiere verschiedene Standortvarianten oder gar unterschiedliche Arten und führt hierfür die unterschiedliche Größe der Tiere, als auch die Form der Schwanzflosse an.

Eine These für eine bestehende Artengruppe wird dabei auch durch die beschriebene Schwesternart B. dennisyongii gestützt, deren Verbreitungsgebiet im Norden an das von B. rubra angrenzt. Andererseits liese sich in meinen Augen auch trefflich über deren Artstatus diskutieren, der sich auf marginale Unterschiede, wie z.B. einer blasseren Zeichnung, als auch auf Streifen an der Stelle von Punkten in der Gesichtsmaske, stützt. Oft kam und kommt es daher zur Verwechslung von B. rubra und B. dennisyongii.

Färbung und Erscheinungsbild meiner Fische:
Meine Tiere bekam ich mit der Fundortbezeichnung Aceh Barat, was wahrscheinlich nicht wirklich aussagekräftig ist. Ich erwarb 4,2 Tiere und war von den ersten Beobachtungen nach dem Einsetzen und der Eingewöhnung in mein Aquarium hellauf begeistert. Die noch nicht ganz ausgewachsenen, aber schon geschlechtsreifen Tiere zeigten eine enorme Variationsbreite in der Ausprägung der Färbung, die bei den Männchen in Normalstimmung durch eine sich abwechselnde rote und schwarze Balkenzeichnung zum Ausdruck kommt. So richtig die Luft weg blieb mir aber, wenn die Männchen ihre Imponierspiele aufführen oder ein Weibchen anbalzen. Dann werden die schwarzen Balken schmaler und das Rot nimmt in der Intensität und in der Fläche zu und weitet sich auch auf den Bereich der After- und Schwanzflosse aus, so dass man beim Betrachten von Fotos dieser Art denkt, diese wären massiv bearbeitet worden. Im Zusammenspiel mit den blauweißen Säumen der unpaarigen Flossen ist für mich Betta rubra eine der farbintensivsten Wildformen, die ich je gehalten habe. Die Schwanzflosse ist bei meinen Tieren bei den Männchen spatelförmig, bei den Weibchen eher rund. Größenmäßig überschreiten sie ausgewachsen die 6 cm Marke. Die Weibchen bleiben etwas kleiner und zeigen meist immer eine Zeichnung, die durch einen braunen und einen hellbeigen Längsstreifen bestimmt wird. Dies entspricht auch der Jungtierzeichnung.

Haltung:
In der Haltung erwiesen sich meine Betta rubra als pflegeleicht und damit ganz anders, als ich es ursprünglich erwartet hatte. Sie waren in etwas kühleren, ca. 22 °C warmen Bonner Leitungswasser ohne Probleme zu pflegen und auch zu vermehren. Meine Befürchtungen, die auf der Notwendigkeit zur Herstellung von saurem, mineralarmen Wasser beruhten, bewahrheiteten sich damit nicht (Vielleicht beruht das auf einer anderen Fangortvariante oder einer Verwechslung bspw. mit B. dennisyongii). Als Futter wird alles gefressen, was die kleinen Fische bewältigen können. Am liebsten rote und schwarze Mückenlarven lebend oder gefrostet. Jedoch wird auch Trockenfutter angenommen. Eine Vergesellschaftung mit kleinen, ruhigen Barben, Bärblingen, Salmlern und Welsen ist möglich. Von hektischen Schwimmern oder aufdringlichen Arten, wie z.B. Lebendgebärenden, würde ich persönlich dagegen abraten. Aber wenn ich an das reichhaltige Verhaltensspektrum der Art denke, bei dem im Becken immer etwas los ist, sollte man den Betta rubra ihr eigenes Artaquarium gönnen. Aufpassen muss man bei der Wasserhygiene. Regelmäßige Wasserwechsel sind ein absolutes Muss! Zudem bekam ich massive Probleme, als ich trotz aller Vorsicht eine Odinium-Infektion in das Becken bekam. Trotz der verschiedensten Gegenmaßnahmen, die schon bei anderen Arten funktioniert hatten, wie z.B. diverse Arzneimittel und eine Temperaturerhöhung für mehrere Tage auf 35 °C, war der Bestand in diesem Becken leider nicht mehr zu retten. Hier ist also Vorsicht angebracht.

Vermehrung und Aufzucht:
Fühlen sich die Betta rubra wohl, sind sie normalerweise nicht an der Vermehrung zu hindern. Bei mir übernahmen die Weibchen die aktiv initiierende Rolle. Erst später steigt das Männchen in den Reigen ein. Ich habe den Eindruck, dass dabei zuerst eine Bindung zwischen den Tieren aufgebaut wird. Dies beginnt bereits beim Eintreten in die Geschlechtsreife. Die Balz- und Imponierspiele der Männchen sind dabei sehr sehenswert, scheinen diese doch dabei regelrecht zu glühen. Für die eigentliche Paarung ziehen sich die Tiere meist in Bodennähe zurück. Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied zum Verhalten von B. mandor, deren Ablaichen unter der Wasseroberfläche stattfindet, wobei die Partner danach zu Boden sinken. Bei mir werden durch die Betta rubra hierfür gerne halbierte Kokosnussschalen oder die leeren Früchte der Paranuss angenommen. Die Paarung selbst konnte ich daher leider bisher nicht beobachten. Lediglich bei einer Scheinpaarung sowie beim Umschlingen zwischen zwei Männchen konnte ich bisher zusehen.

Nach erfolgreicher Paarung und Eiaufnahme ziehen sich die Männchen zurück und halten sich versteckt. Anfänglich werden sie dabei noch vom Weibchen bewacht. In den folgenden 10-11 Tagen der Eier- und Brutpflege nimmt das Männchen keine Nahrung zu sich. Im Gegensatz zu Betta mandor erwiesen sich meine Betta rubra als zuverlässige Brutpfleger. Nach dem genannten Zeitraum werden die Jungen entlassen und das Männchen beginnt wieder mit der Nahrungsaufnahme. Die Jungen haben ungefähr die Größe von jungen Guppys und fressen sofort Nauplien des Salinenkrebses und Mikrowürmchen. Bei abwechslungsreicher Fütterung wachsen die Fischchen zügig heran und beginnen im Alter von ungefähr vier Wochen die Streifenzeichnung auszubilden. Die Unterscheidung der Geschlechter ist relativ spät, erst mit Eintritt der Geschlechtsreife sicher möglich, wenn die Männchen beginnen, ihr farbenfrohes Kleid anzulegen. Ich habe meine Männchen nicht während der Brut aus dem Haltungsbecken entfernt, um sie keinen unnötigen Stress auszusetzen.

Dafür habe ich dann immer fleißig die Jungen von der Oberfläche gefangen, wo sie sich im Schutze der Schwimmpflanzen versteckt halten. Bei dieser Methode sind natürlich immer auch Jungfische im Haltungsbecken groß geworden. Ich konnte nicht feststellen, dass die Alttiere den Jungen aktiv nachstellen. Auch bei den Jungtieren habe ich bei meinen Tieren nicht die Beobachtung gemacht, dass die größeren den Kleineren nachstellen. Im Gegenteil konnte ich sogar mehrere, unterschiedliche Bruten im gleichen Aufzuchtbecken großziehen, ohne das es zu nennenswerten Verlusten kam. Nach meiner Ansicht ist es für den Fortbestand der Art in unseren Aquarien wichtig, die Tiere in ausreichender Menge nachzuziehen, denn die Tiere werden, wie auch manch andere Fische, nach meinen Erfahrungen nur ca. ein Jahr alt. (Aber vielleicht mache ich ja auch irgendetwas falsch.) Insbesondere die Männchen bauen, wahrscheinlich durch das kraftraubende Brutgeschäft, schnell ab. Ab einem bestimmten Alter stellen sie dieses dann auch ein und werden deutlich ruhiger, so dass man das Zeitfenster zwischen Geschlechtsreife und diesem Zeitpunkt unbedingt für die Vermehrung nutzen muss. Verwandtschaftlich werden die Betta rubra oft in die Nähe zu Betta foerschi gestellt. Dies trifft zwar in manchen Punkten, wie bspw. der relativ rudimentären Fortpflanzung zu, doch stellt Betta rubra in meinen Augen bereits den nächsten kleinen Entwicklungsschritt dar. Verwandtschaftlich würde ich daher lieber von einer eigenständigen B. rubra-Gruppe sprechen. Nicht zuletzt auch wegen der auffälligen, insbesondere farblichen Unterschiede.

Fazit:
In Summe handelt es sich bei Betta rubra um einen wunderschönen, interessanten und gut zu pflegenden Kampffisch, der in meinen Augen das Potential zu einem dauerhaften Verbleib in unseren Aquarien hat. Mit Blick auf die aktuellen und die möglichen zukünftigen Entwicklungen ist es im Hobby umso wichtiger, den Blick auf den Erhalt der Bestandsarten unter Berücksichtigung der Vitalität und Qualität der Nachzuchten zu richten. Genau hierfür kann aber jeder von uns sein Quäntchen beitragen, warum nicht mit Betta rubra?

Literaturquellen:

Dieke, H. (2019): Der rote Sumatrakampffisch von Banda Ache – ein Phantom bekommt ein Gesicht, Amazonas Nr. 86, November/Dezember 2019, NTV-Verlag, S.32-37.

Linke, H. (2013): Labyrinthfische, Tetra-Verlag, S.116f.

Pinter, H. (1984): Labyrinthfische, Hechtköpfe und Schlangenkopffische, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, S.117.

Richter, H.-J. (1982): Das Buch der Labyrinthfische, Neumann Verlag, S. 87.