Der Stickstoffhaushalt im Aquarium

von Marc Mohr, Seerose Frechen

Fische betreiben Stoffwechsel und scheiden Kot und Urin aus. Pflanzenteile sterben ab und ab und zu stirbt auch mal ein Fisch. Konsumenten und Produzenten sorgen also für totes organisches Material, welches von Destruenten (Zersetzer-> Pilze und Bakterien) zu Ammoniak (NH3), sowohl unter aeroben, als auch anaeroben Bedingungen, umgesetzt wird. Ammoniak ist jedoch eine schwache Base und ist deshalb dazu im Stande ein Wasserstoffion (H+) aufzunehmen. Dadurch wird aus NH3 ein NH4+ Molekül, welches nun nicht mehr giftig ist und zudem ein Nährstoff für Pflanzen ist.

Chemische Gleichung

Da Wasserstoffionen gebraucht werden, hängt die Entstehung Ammonium also von dem pH-Wert ab. Der pH-Wert (=potentia Hydrogenii) gibt nämlich die Konzentration der Wasserstoffionen im Wasser an. Je niedriger der pH-Wert, desto höher ist die Konzentration der Wasserstoffionen, welche das Wasser ansäuern.

Bei einem niedrigem pH-Wert sind also genügend Wasserstoffionen vorhanden, um Ammoniak in Ammonium umzuwandeln. Ab einem pH-Wert von 9 entsteht daher Ammoniak. Doch warum erst ab einem pH-Wert von 9? Müsste nicht beim neutralen pH-Wert 7 Ammoniak entstehen? Ammonium kann nur produziert werden, wenn das Wasser leicht akalisch ist und einen Überschuss an Wasserstoffionen hat. Doch falls keine Wasserstoffionen mehr da sind, werden einfach Wasserstoffionen aus einem Wassermolekül (H2O) gespalten. Dadurch wird ein Wasserstoffion frei, welches der Ammoniak bekommt, um Ammonium zu werden, und es entsteht ein Hydroxidion (OH-). Doch irgendwann ist auch dies, aufgrund des Massenwirkungsgesetzes, nicht mehr möglich, da sonst zu viele Hydroxidionen entstehen. Bei einem pH-Wert über 9 wird also das Zellgift Ammoniak gebildet, was hochgradig giftig ist. Zudem wird dem Ammonium bei höheren pH-Werten (schwache bis starke Basen) das Wasserstoffion wieder entzogen. Die Umwandlung von totem organischen Material zu Ammonium nennt man Ammonifikation.

Das Ammonium wird dann von Bakterien, der Gattungen Nitrosomonas, Nitrospira und Nitrosococcus , unter aeroben Bedingungen, zu Nitrit oxidiert, indem das Ammonium mit Sauerstoff zu Nitrit (NO2-), Wasserstoffionen und Wasser reagiert. Dieser Prozess beschreibt die erste Stufe der Nitrifikation.

Chemische Gleichung

Dadurch, dass bei der Nitrifikation auch Wasserstoffionen entstehen, sinkt auch der pH-Wert. Zwar werden bei der Ammonifikation Wasserstoffionen benötigt, aber schaut man sich die Oxidationszahlen der Reaktionsgleichungen einmal an, stellt man fest, dass bei der Ammonifikation ein Wasserstoffion für ein Ammoniakmolekül gebraucht wird, aber bei der ersten Stufe der Nitrifikation entstehen pro Ammoniummolekül 2 Wasserstoffionen. Wenn man also zu wenig Teilwasserwechsel macht, kann es zum sogenannten Säuresturz kommen.  Nitrit ist hochgiftig für Fische, da sich Nitrit besser mit dem Eisen im Hämoglobin der Fische verbindet, als Sauerstoff. Die Nitritmoleküle besetzen also die roten Blutkörperchen des Fisches und blockieren somit die Sauerstoffzufuhr, was zum Tode führt. Da der Stickstoff des Nitrits noch immer eine Energiereiche Verbindung ist, wird dieses ebenfalls unter aeroben Bedingungen oxidiert, da manche Konsumenten diese Energie nutzen wollen, wie beispielsweise die Bakterien der Gattungen Nitrobacter, Nitrospira, Nitrospina, Nitrococcus und Nitrolancetus. Aus Nitrit wird somit Nitrat (NO3-). Dieser Prozess beschreibt die zweite und letzte Stufe der Nitrifikation. Nitrat ist ein Nährstoff für Pflanzen und lebensnotwendig für sie.

Chemische Gleichung

Unter anaeroben Bedingungen wird Nitrat und Nitrit von Bakterien der Gattungen Pseudomonas, Paracoccus und Flavobacterium auch als Oxidant (= Sauerstofflieferant) genutzt. Die Bakterien nutzen also den Sauerstoff der Moleküle, um organische Stoffe zu oxidieren. Dadurch entsteht Stickstoff (N2), welcher in die Atmosphäre entweicht. Diesen Prozess nennt man Denitrifikation. Die Denitrifikation findet häufig im Sandboden statt. Dort zirkuliert das Wasser oftmals nicht richtig. Exkremente im Sand werden dann von Bakterien reduziert und es entsteht Stickstoff. So kommt es oftmals zur Bildung von Faulgasen im Sandboden. Pflanzen lockern den Sand jedoch auf und nutzen die vorhandenen Nährstoffe sofort.

Zudem gibt es Bakterien, wie beispielsweise Cyanobakterien, die unter anaeroben Bedingungen Stickstoff aus der Luft fixieren. Durch das Sterben dieser Bakterien gelangt ebenfalls Stickstoff in den Kreislauf. Dieses Phänomen nennt man Stickstofffixierung.

Ammonium und Nitrat werden von Pflanzen als Nährstoffe genutzt, die zur Assimilation dienen. Sie bauen damit beispielsweise Proteine auf. Diesen Vorgang nennt man Stickstoffassimilation.

Nun stellt sich natürlich folgende Frage: Was hat das nun genau mit der Aquaristik zu tun? Eine ganze Menge! Wir konnten immerhin schon feststellen (siehe oben), dass Ammoniak und Nitrit giftig für Fische sind. Es ist also wichtig, dass das Wasser nicht zu alkalisch ist (pH-Wert über 9), da sonst Ammoniak entsteht. Zudem müssen genügend Bakterien da sein, da sonst kein Nitrit abgebaut werden kann. Dadurch, dass bei der Nitrifikationen Wasserstoffionen entstehen, welche den pH-Wert senken, ist es wichtig, dass man Wasser wechselst, da es sonst früher oder später zu einem pH-Sturz (-> Säuresturz) kommen kann. Zudem ist es wichtig, dass genügend Ammonium und/oder Nitrat vorhanden ist, damit die Pflanzen genügend Nährstoffe haben. Ein Nährstoffüberschuss würde jedoch das Algenwachstum fördern.

Besonders bei neu aufgesetzten Becken muss man ein kritisches Auge auf den Stickstoffkreislauf haben. In einem leeren Becken, ohne Fische und Pflanzen, wird kein Stoffwechsel betrieben. Es fällt kein totes organisches Material an. Dieses muss also zugeführt werden. Wenn man nun also einen Fisch in ein neues Becken setzt, muss sich erst der Stickstoffkreislauf aufbauen. Um das entstehende Produkt jedoch verwerten zu können, muss sich erst ein Bakterienstamm bilden. Wenn nun Ammonium zu Nitrit oxidiert wird, gibt es keine Bakterien, die das Nitrit oxidieren. Es sammelt sich nun, wie bereits oben beschrieben, im Hämoglobin der Fische an und lässt diese ersticken. Hiergegen hilft nur ein großer Wasserwechsel. Dieser Anstieg des Nitrits wird häufig „Nitritpeak“ genannt.

Und hier kommt die Einlaufphase ins Spiel; durch die Einlaufphase können sich die nötigen Bakterien bilden, welche das giftige Nitrit nun oxidieren. Hierbei ist es jedoch wichtig, dass totes organisches Material zugeführt wird, beispielsweise in Form von Futter. Doch auch wenn eine Großzahl neuer Fische einzieht, steigt der Nitritwert an. Es ist mehr totes organisches Material da als sonst. Somit entsteht auch mehr Nitrit. Jedoch reicht die Bakterienpopulation nicht aus, um eine höhere Menge Nitrit zu oxidieren. Es müssen sich nun ebenfalls erst wieder neue Bakterien bilden.

Die Bakterien sind übrigens alle substratgebunden. Und deshalb ist auch der Filter so wichtig! Die meisten Aquarien sind überbesetzt, da es im Aquarium selbst zu wenig Substrat für die notwendigen Bakterienpopulationen gibt. Der Filter, besser gesagt die in ihm vorhandenen Filtermaterialien, sorgen also für mehr Oberfläche, die von den Bakterien genutzt werden kann. Es ist daher auch problemlos einen Wasserwechsel zu machen und gleichzeitig den Filter zu waschen. Zudem ist Altwasser für neue Aquarien absolut uninteressant, da sich dort keinerlei Bakterien drin befinden. Hier wäre ein eingelaufener Filter, oder Bodengrund sehr viel sinnvoller.

Doch der pH-Wert beeinflusst nicht nur den Stickstoffkreislauf. Die Schleimhautanpassung spielt ebenfalls eine Rolle. Die Zusammensetzung der Schleimhaut ist an den pH-Wert angepasst. Die Schleimhaut besteht aus Schleim und Makrophagen, die zum Immunsystem gehören. Wenn mehr Schleim produziert wird, ist die Konzentration der Makrophagen hypotonisch und das Immunsystem wird somit geschwächt. Dadurch kann es zu Sekundärerkrankungen kommen. Jedoch ist die Macopolysaccharide (Schleimhaut) nicht genetisch festgelegt, sondern wird von verschiedenen Umweltfaktoren mit determiniert. Die Keimdichte spielt auch eine Rolle. Bei niedrigem pH-Wert sind weniger Keime im Wasser. Jedoch findet im Aquarium ein Wasserwechsel statt, wodurch die Keimdichte regelmäßig gesenkt wird.

Marc Mohr / 31.12.2015